Anmerkung: ich fange jetzt wieder an mit Tag 1 und bin damit synchron zum Roadbook
Seit vielen, vielen Jahren steht sie -heimlich oder ganz offiziell- auf der Wunschliste der Oktoberer ganz oben. Die Mutter der Militärstraßen. Die Göttin der Kammstraßen. Die ultima carretera. Doch immer waren wir zu spät. Die Wintersperre der Ligurischen Grenzkammstraße geht unwiderruflich am 1. Oktober ein, und bis zu diesem Datum haben wir es -getreu der GO-Maxime, dass auch in der Anfahrt der Weg das Ziel ist- nie geschafft. Anlässlich des zehnjährigen Jubiläums des Goldenen Oktobers hat Torsten jedoch eine zweiwöchige Tour herausgearbeitet. Die Vorab-Tour führte die Teilnehmer größtenteils entlang der Seealpen-Tour von 2008 nach Menton, und damit startete die eigentliche Tour am Mittelmeer, wodurch die Ligurische Grenzkammstraße gleich an Tag 1 -und damit vor der Winterschließung- angegangen werden konnte.
Eine beachtliche Gruppe hatte sich bereits für die Vortour angemeldet und traf am 27. September auf dem Camping Municipal in Menton auf den Rest der Truppe, um zusammen die Tour der Touren zu fahren. Torsten hatte weder Kosten noch Mühen gescheut und für den kniffligsten Teil der Tour drei Optionen vorbereitet: die Weicheier-Tour (Zitat!), die reguläre und die „Harten-im-Garten“-Tour. Als GO-Veteran bin ich natürlich die Garten-Tour gefahren und das ging gleich gut los: „an der zweiten Verzweigung halten wir uns unter Außerachtlassung der Sperrung rechtsgeradeaus Richtung Molini da Triora (…) entsprechend der italienischen Mentalität stellt die Straßensperre einen Haftungsausschluss dar, (…) ist mit dem Bus knapp passierbar“. Ja von wegen! Aktuell war hier eine RICHTIGE Baustelle, Fahrbahnbreit wurde dort gebaut, keine Chance, vorbeizukommen. Also auf 5m² gewendet und zurück. Der Umweg war zwar sehr weit, aber auch sehr, sehr schön!
Letztendlich kamen wir aber doch zum Colle Melosa. Hier endete die Zivilisation. Es begann nicht nur eine grobschotterige Strecke, es folgten auch Querrinnen, die das Todesurteil jeglicher Unterflurinstallationen bedeutet hätten.
Ein ums andere Mal mussten Aufschüttungen genommen werden, die wohl dem Abfluss von Regen- oder Schmelzwasser dienen sollten, die aber dermaßen gewaltig ausgelegt waren, dass sich selbst T2b mit Vorbau (Reserverad oder Gasflasche) äußerst vorsichtig nähern mussten.
So kämpfen wir uns empor bis zum Col Bertrand (1779 m ) -dort gab es auch noch einen Bunker im Berg zu entdecken- und dann wieder hinab zur Baisse de Sanson, wo uns Torsten und das fehlende Drittel des „Team Dakota“ schon erwarteten.
Mit Matze und Werner beschließe ich, den Abstecher zum Monte Saccarello zu machen. Das Sträßchen hat es in sich, und am Gedenkstein hat die „Wendestelle“ eine so starke Neigung, dass ich fürchte, mein Bus kippt um. Macht er aber doch nicht.
Die zweite Gabel des Abstechers führt zum Fort. In einer Kehre beiße ich mich an einer Steinstufe fest und komme kaum vor oder zurück. Nach einem heftigen Aufsetzer mit Stoßstange und Kennzeichen bin ich wieder flott. Matze ist geschickter und schafft es bis ganz oben, muß von dort jedoch ein ganzes Stück rückwärts fahren, da oben absolut keine Wendemöglichkeit ist. Wieder auf der Hauptstrecke gabeln wir die „Flachlandtiroler“ um Georg auf und passieren zusammen die Mautstation der nördlichen Sektion der Ligurischen. 15 Euro kassiert der umtriebige Italiener pro Bus, bevor er die Kette losmacht und uns den Weg frei macht. Schon bald schieben wir uns an gigantischen Hängen entlang, leider kommt auch der Nebel immer näher.
Die fotogensten Punkte der LGKS versinken für uns leider komplett in der grauen Suppe,
trotzdem läßt sich die Schönheit der Strecke um den Col de la Boaire erahnen.
Der Nebel wird immer dicker, es wird langsam dunkel und wir zählen die Kilometersteine am Wegesrand, die hoffentlich zum Ende der Hardcorestrecke herunterzählen (Anmerkung: fahrtechnisch ist vor allem der Südteil anspruchsvoll. Der Nordteil ist saniert und von der Fahrbahn her problemlos. Spannend ist die komplett fehlende Randsicherung, insbesondere bei Nebel oder Dunkelheit – oder beidem). Irgendwann erreichen wir die End-Mautstation der Strecke, dort ist auch eine Liftstation, doch dieser markante Punkt findet keine Erwähnung im Roadbook. Inzwischen ist es finster, neblig, es stürmt und schneit. Abzweigende Wege sind kaum zu erkennen, geschweige denn, dass man erkennen kann, ob es sich nur um eine Zufahrt zu einer Weide oder einen wichtigen Abzweig handelt. An der Liftstation hatten wir Wegweiser nach Limone und Limonette gesichtet, die Richtung stimmte also erst mal. Ans Erreichen des Nachtplatzes Fort Central, im Roadbook beschrieben als „…rücken uns das mächtige Fort Central (…) und die alte Tendastraße ins Blickfeld“ war nicht zu denken, denn ins Blickfeld rückte gar nichts außer Nebel. Wir tasten uns voran, eine weitere Liftstation umrunden wir. Als nun ein Wegweiser auftauchte, der Limonette in unsere Fahrtrichtung und Limone gegen unsere Fahrtrichtung anzeigte, war ich mir sicher, dass wir falsch waren: Limonette war ein Sacktal. Jetzt galt es nur, irgendwie runter zu kommen, um besser vor Sturm und Schnee geschützt zu sein. Solange der Weg bergabging: OK. Als es wieder bergauf ging (und man aufgrund von Nebel und Dunkelheit nicht sehen konnte, ob das nur ein kurzes Stück war oder nicht), haben Matze und ich beschlossen, uns eine geschützte Ecke am Wegesrand zu suchen und auf besseres Wetter am nächsten Morgen zu hoffen. Schnell noch eine Statusmeldung an Torsten abgesetzt, dass sich keiner Sorgen machen muß, ein Süppchen gekocht und ab in die Federn.