Es gibt Sätze, die man am liebsten nie in seinem Leben hören möchte. Wie zum Beispiel im Personalgespräch: „Wir müssen Ihnen leider mitteilen, dass…“. Oder, wenn man gerade mit einem One-Way-Ticket nach Südspanien geflogen ist um ein Auto nach Deutschland zu holen, dort am Mietparkplatz: „There is a problem with your car“.
Das Problemkind gehört meiner Tante. Die hatte bis vor zwei Jahren ein wunderschönes Haus mit unverbaubarem Meerblick, zwei Orte weit von Benidorm. Leider ist mein Onkel viel zu früh verstorben, und für sie alleine war das Haus mehr ein Klotz am Bein als eine Oase der Erholung. Also Haus verkauft und – ja und dann stand da noch der Polo, den sie extra für dort angeschafft hatten. Weil man ja mit dem Flieger kommt – in drei Stunden ist man da – und dann auch vor Ort mobil sein möchte.
Das Haus war also weg und der kleine Polo stand da am Flughafen von Alicante auf dem bewachten Parkplatz „Victoria“. Zwei Jahre schon hatte sich keiner um den Wagen gekümmert, zwei Jahre waren Steuern und Versicherung bezahlt – für ein „Stehzeug“. Daher kam mein Auftrag: „Hol dir den Wagen.“


Kurz durchgerechnet, günstigen Flug gebucht, kann doch nicht so schwer sein. Dachte ich. Da ich nicht wußte, wie weit ich pro Tag komme, konnte ich die Übernachtungen nicht planen. Aber da ich größtenteils durch eine touristisch voll erschlossene Region fahren würde, habe ich keine Probleme erwartet. Außerdem gibt es google maps, here und trip advisor, also für den modernen Mensch kein Problem.
Bis der besagte Satz kam. Den mitgebrachten Werkzeugkoffer -„haben ist besser als brauchen“- hab ich gerade so durch die Handgepäckkontrolle bekommen – und nun brauchte ich ihn leider doch.

Beim Polo war die Benzinpumpe kaputt. Startversuche ohne und mit Starterspray hatten das ergeben. Alptraum! Der Flieger war um 12:10h gelandet, um 13:00h war ich auf dem Parking, ich wollte an diesem Tag noch mindestens bis Nordspanien, idealerweise sogar über die französische Grenze kommen.
Stattdessen baue ich mit dem Mechaniker die Spritpumpe aus, sauge das alte Benzin ab,

das auch noch die Gummidichtung aufgelöst hat, lausche ihm, wie er rumtelefoniert, um eine neue –oder noch besser gebrauchte- Pumpe zu finden. Allerdings –und daran gibts nichts zu rütteln- ist in Spanien bis 16 Uhr Siesta. Da geht gar nichts. Also fahren wir erst mal in seinen Heimatort direkt neben dem Flughafen, er dropt mich in einem Restaurant und fährt selbst zu seiner Familie zum Mittagessen. Inzwischen bekomme ich ein 3-Gänge-Menü, was wohl der örtliche Mittagstisch ist, bestehend aus Salat, gebratenen Mini-Tintenfischen und einer Mini-Paella. Wunderbar!

Um 16 Uhr sind wir wieder in seiner Werkstatt, und es gibt gute Neuigkeiten: sein Kumpel hat tatsächlich die richtige Kraftstofffördereinheit, also das ganze Gerödel mit Pumpe und Tankgeber, gebraucht da. Mit Dichtung. Also rangeholt und eingebaut. Nur nebenbei sei angemerkt, dass die Batterie natürlich auch komplett tot war,

also musste hier auch noch Ersatz beschafft werden. Aber dann: der kleine rote Torero sprang an! Also alles zusammengefrickelt, sämtliche Rechnungen beglichen und fürs Trinkgeld bekam ich noch ne Fahrt durch die Waschanlage spendiert. Nur war es inzwischen 18 Uhr, und um diese Uhrzeit ist es selbst dort langsam dunkel. Und ich wollte eigentlich schon in Grenznähe sein.

Egal, jetzt zählt jeder Kilometer, denn ich hatte nur zweieinhalb Tage Zeit für die Rückfahrt, und den ersten halben Tag hatten wir gerade in der Werkstatt verbracht. Über die spanische Mautautobahn fährt sich das ganz entspannt, vor allem abends. Doch dann kam das Thema „Hotel suchen – ganz spontan“. Während man hier allüberall an den Ausfallstraßen die Neonreklame von Motel1, Ibis und wie sie alle heißen sieht, war dort – nichts! Gar nichts. Also erst mal runter von der Mautautobahn und rein in der erstbesten Urlaubsort, der einem bekannt in den Ohren klang, in diesem Fall Cambrils. Auch an der Ausfallstraße – nichts. Und auf einen Schlag war man im Stadtzentrum (gefühlt zumindest). Und es gab Hotels! Nur keine Parkplätze. Alles voll – ohne Pardon. Von Häuserblock zu Häuserblock, nicht ein Platz. Und wo dann endlich Platz war, waren die Hotels in weiter Ferne. Also weiter, irgendwie auf der Landstraße. Dann ein Hotelschild…auf die Schnellstraße…und da stand es dann: „Golf Hotel Mas Galau“, romantisch gelegen direkt an der Autovia del Mediterrani, aber – vier Sterne! Ich begehrte Einlass und beim Nachtwächter, der vorgab, kein Englisch zu sprechen, sicherheitshalber erst mal nach dem Preis gefragt: 75 EUR. Angesichts der fortgeschrittenen Uhrzeit –es war nach Mitternacht- und meiner durch Erfolglosigkeit gekrönten Hotelsuche im Touristenparadies akzeptierte ich das Zimmer. Meine Bleibe für diese Nacht verdiente durchaus die Bezeichnung Suite! Riesig groß, Terrasse, immenser Spiegelschrank, zwei große Betten und das Bad: ein Salon für sich. Die Waschtischanlage größer als meine Küchenanrichte, ein Sitz-Dusch-Bad von mindestens 4 m², Bidet (is klar ). Einfach irre. Dazu Garten, Pool, aber das brauchte ich ja alles nicht. Wenn man bedenkt, dass manche dieser Autobahnhotels 89 EUR für ein Zimmer nehmen…Nur das Frühstücksbüffet, das passte nicht so richtig zu den Sternen: eher kompakt, mit schrumpeligen Tomaten und auch sonst wenig Besonderes. Und der Nachtwächterkauz, der saß am Morgen immer noch da.


Tag 2, heute hieß es klotzen, nicht kleckern. Zum Wachwerden bin ich in den Berufsverkehr von Barcelona reingerasselt. Die Mautautobahnen sind in den Agglomerationen gebührenfrei – und damit auch zugestaut. Aber gut, irgendwann war man da auch durch. Und dann hieß es: Vive la France! Nur wie würden die Franzosen auf einen Deutschen mit einem spanischen Auto auf abweichenden Halter reagieren? Die Lage war nach den Anschlägen in Paris etwas angespannt…schon weit vor der Grenze warnten Leuchttafeln auf der Autobahn. „An der Grenze wird kontrolliert“ – na super! Und so war es dann auch: von drei Spuren auf eine, LKW separat und auf der PKW-Durchfahrt mit Schikane standen reichlich Soldaten, das MG geschultert. Aber durchgewunken haben sie mich trotzdem. Puh!
Perpignan, Montpellier, Nîmes, Nebel am Mittelmeer. Trotzdem: wie gern hätte ich hier –und auch schon in Spanien- mal angehalten, wäre mal an den Strand gefahren. Aber leider war dafür keine Zeit. Wiederum galt es, Kilometer zu fressen. Als Tagesziel kristallisierte sich Mulhouse heraus, und nachdem Sochaux (Usines Peugeot!) passiert war, hieß es wieder: nach Hotels Ausschau halten. Während unterwegs die Rastplätze durchaus auch Übernachtungen angeboten hatten – hier natürlich nicht. In letzter Not die Abfahrt Mulhouse-Centre genommen, doch entlang des Zubringers alles finster, dann ein Mal abbiegen – und voll im Zentrum: Cinemax, Pizzeria, aber natürlich wieder kein Hotel. Weiter Richtung Zentrum zu fahren machte ob der Parksituation keinen Sinn, also gewendet und schwuppdiwupp war ich auch schon wieder raus- und fuhr durch die umliegenden Landgemeinden. Leider war auch hier nirgends ein Hotel zu finden, also fuhr ich wieder auf die Autobahn und rüber nach Deutschland. Auch hier wieder übelste Kontrollen seitens der Franzosen, Richtung Deutschland jedoch: nichts.
In Deutschland wollte ich dann die erste Abfahrt nehmen und entlang der Bundesstraße suchen – und tatsächlich: Schon im ersten Ort, das war Neuenburg am Rhein, links UND rechts am Ortseingang die Leuchtreklame „Hotel“. Die Qual der Wahl! Ich entscheide mich für das Hotel Touristik, klein, fein und sauber. Dazu WLAN und morgens ein wunderbares Frühstücksbüffet. Was will man mehr?
Am nächsten Morgen war zeitiges Aufstehen angesagt, denn jetzt standen noch 800 km quer durch Deutschland an, und während die spanischen und französischen Autobahnen bis auf die Rush-Hour in Barcelona und Lyon freie Fahrt gewährleistet hatten, drohte in Deutschland allüberall Stau. Doch toitoitoi bis auf etwas Geschiebe um Nürnberg und eine Baustelle vor Leipzig lief es flüssig. Und so rollte ich um 16 Uhr bei mir auf’n Hof.