Vor 30 Jahren: Mit dem Käfer nach Ägypten (ohne Fähre!) – 2

Tag 3 (25.12.1992) – 588 km

Von St. Pölten erreichen wir über Wien die ungarische Grenze. Die Autobahn endet kurz vor der Grenze. Dort geh es relativ flott, ein Visum war nicht mehr notwendig. Über Landstraße geht es nach Györ, ab dort führt eine Autobahn bis Budapest (heute fährt man bequem von Österreich um Budapest herum bis nach Arad in Rumänien über die Autobahn). Leider war 1992 die Ringautobahn noch nicht fertiggestellt, so quält sich der gesamte Verkehr quer durch die Stadt. Doch am anderen Ende der Stadt geht die Autobahn weiter, es geht also gut voran. Auch hier -wie schon in Österreich- überall Reif an den Bäumen. Es wird kälter! Wir beschließen, noch am selben Tag über die Grenze nach Rumänien zu fahren, dann haben wir morgen einen frischen Start. Hinter der Grenze haben wir schnell noch getankt, wir hatten gehört, dass überall lange Schlangen an den Tankstellen stünden, hier war jedoch gar nichts los, also schnell den supergünstigen Sprit gebunkert!

Kaffeepause am Wegesrand – mit Katze (Foto: Warner)

Nun wurde es doch etwas später und man sagt, in Ländern wie Rumänien sollte man Nachtfahrten vermeiden. Und so war es: sämtliche Fahrzeuge, von Omnibus bis Eselskarren und Fahrräder, waren entweder gar nicht beleuchtet oder haben geblendet. Dazu überrascht die Straßenführung mit unerwarteten (und natürlich nicht entsprechend beschilderten) scharfen Kurven, Schlaglöchern und dergleichen.

Die vor der Hand liegende Route wäre über die Hauptstadt Bukarest gewesen, wir bevorzugen jedoch kleinere Sträßchen und wählen daher die Westroute: von Arad über Timişoara und dann an der Donau entlang, dort wollen wir das Eiserne Tor besuchen. Letzteres haben wir nicht gefunden, es war nicht ausgeschildert und -zur Erinnerung- wir konnten nicht mal eben bei Google Maps gucken, wo es denn genau ist. Zudem wurde es später und später und dunkler…

Schlussendlich finden wir ein Zimmer in einem Hotel/Casino/Nachtclub/wasauchimmer, der/die/das eigentlich geschlossen war und daher -surprise- eiskalt. Immerhin wurden uns die dicksten Daunenbetten nebst Wärmflaschen gebracht, und dann ging’s auch. Gekostet hat es kaum was.

Kaaaalt – minus 10 Grad in Vinga

Tag 4 (26. 12.1992) – 980 km

Am nächsten Morgen: kein Warmwasser, draußen alles unter dickem Reif, dazu minus 10 Grad. Aber fast umsonst gepennt.

Wir verlassen Vinga Richtung Calafat, dort soll es eine Fähre über die Donau nach Vidin in Bulgarien geben, die Fahrt über Jugoslawien verbot sich wegen des Krieges dort. 1992 gab es tatsächlich in Westrumänien nur einen Grenzübergang nach Bulgarien: die Fähre von Calafat. Da wir in Sofia einen Zwischenstopp verabredet hatten, musste es dieser Übergang sein. Der nächste wäre die Donaubrücke bei Giurgiu/Russe – ein beträchtlicher Umweg. Heute gibt es in Calafat eine Brücke und im weiteren Verlauf diverse Fähren.

Die erste größere Stadt auf der heutigen Tagesetappe ist Timișoara, die Stadt, in der vor fast genau drei Jahren (Dezember 1989) die Revolution gegen die kommunistische Diktatur Ceaușescus begann. Wie alle Städte in Rumänien ist hier alles grau-in-grau, man sieht kaum Menschen auf den Straßen, kaum Geschäfte, kaum Autos – aber riesige Schlangen vor den Tankstellen. Im Sommer ist es bestimmt viel schöner, aber jetzt, im Winter…

Irgendwo im Nirgendwo – Nähe Eisernes Tor

Und die Straßen sind so schlecht…in Calafat kommen wir -kaum im Ort- an einen Stau. Es stellt sich heraus, dass dies die Warteschlange für die Fähre nach Bulgarien ist. Wir sind wohl nicht die einzigen, die diese Route als Jugoslawien-Umfahrung gewählt haben. Zwei Kilometer Stau entspräche zwei Tagen Wartezeit, so sagt man uns. Und die Tankstelle hat auch zu. Dabei hatten wir unseren Benzinvorrat genau so ausgerechnet, dass wir es bis Bulgarien schaffen würden. Ein „hilfsbereiter“ Mitmensch bieten uns Benzin zum Kauf an: 30 Liter für 60 DM. Wo der Liter an der Tanke 50 Pfennige kostet. Haben wir dankend abgelehnt – irgendwo hört der Spaß auf. Hotel oder Pension gab es natürlich auch nicht.

Wie wir aus dieser suboptimalen Situation herausgekommen sind, lest Ihr in der nächsten Folge.

Werbung

Vor 30 Jahren: Mit dem Käfer nach Ägypten (ohne Fähre!)

Abreise – gleich zwei Mal

Die Einleitung hat mein damaliger Co-Pilot Warner schon vor einigen Jahren verfasst – leider ist er inzwischen nicht mehr unter uns. Warner war ein Landkartenfreak, und damit prädestiniert, der beste Beifahrer zu sein, den ich mir in diesem eher mager kartographierten Gebiet (Google Maps und Park4Night existierten noch nicht mal in den phantasiereichsten Köpfen) nur wünschen konnte. Posthum, und in großer Dankbarkeit starte ich den Reisebericht mit seinen Worten:

Wir schreiben das Jahr 1992. Ein paar Jahre zuvor fiel die Mauer in Berlin, viele osteuropäische Länder wurden durch friedliche Revolutionen von ihren Diktatoren befreit, und Europa schien endlich eins zu werden. Was für eine optimistische Zeit! Neue Welten öffneten sich und es war Zeit, sie zu entdecken. Aber wie? Ich hatte selbst keinen Führerschein, geschweige denn ein Auto. Europa musste mit dem Zug erfahren werden. Zum Beispiel hatte ich schon Berlin, Ostdeutschland und Teile Polens erkundet. Ich hatte mein Studium bereits abgeschlossen, hatte aber noch keine Arbeit, also hatte ich viel Freizeit. Zum Glück hatte ich einige Freunde, die ein Auto hatten. Einer von ihnen, Kai, hatte ein paar alte Volkswagen, und natürlich hat mir das gefallen. Er studierte Arabisch und bereitete ein Auslandspraktikum in Ägypten vor. Er würde bald für sechs Monate dorthin gehen. Aber ja, wenn du einmal in Ägypten bist, wirst du etwas sehen wollen, weil es dort so viel mehr gibt als Kairo. Mit dem eigenen Auto, das schien ideal. Es müsste doch möglich sein, eine Fähre zu nehmen. Kai verfolgte diese Idee, bat Bekannte um Rat und versuchte, so viele Informationen wie möglich zu bekommen. Es schien jedoch keine Fähre nach Ägypten zu geben. Und was jetzt? Über Land… unmöglich – oder? Ja, das schien zunächst unmöglich, schon allein wegen der Entfernung: 6500 km. Auch die beste und interessanteste Route über Nordafrika erwies sich als unfahrbar, aufgrund politischer Befindlichkeiten. Die Grenzen Libyens zu dessen Nachbarn waren hermetisch abgeriegelt. Und was ist mit der Ostvariante? Östlich ums Mittelmeer? Nach vielen Überlegungen und gesammelten aktuellen Berichten stellte sich heraus, dass die Antwort auf diese Frage „Ja“ lautete. Jetzt galt es, einen Reisebegleiter zu finden, denn diesen Trip alleine zu fahren wäre keine gute Idee gewesen. Wie gesagt, ich hatte selbst viel Zeit, also fragte Kai, ob ich mitkommen wollte. Wir hatten jedoch keine Ahnung, was auf uns zukommt…

Das Auto

Kai hatte zwei Autos: einen VW Käfer, Baujahr1966 und einen VW-Bus von 1970. Der Käfer schien die bessere Wahl zu sein, er ist zwar etwas kleiner als der Bus, dafür aber deutlich günstiger im Verbrauch. Zudem der Bus in der Vergangenheit mehrfach technische Probleme hatte, während der Käfer, mit knapp 100.000 km auf dem Tacho, technisch -wenn auch nicht optisch- topfit war. Es war das Standardmodell mit 1200-ccm-Motor und ohne Kraftstoffanzeige auf dem Armaturenbrett. Das bedeutete: den Kilometerstand bei jedem Tankstopp aufschreiben und so oft wie möglich zu tanken, weil wir uns nicht auf den Reservehahn verlassen wollten.

Die Route

Unser Abenteuer konnte fast beginnen! Jetzt noch die genaue Route ermitteln (wir erinnern uns: 1992 gab es noch kein Google Maps, kein Navi, kein GPS). Sie würde über den Balkan, die Türkei, Syrien und Jordanien nach Ägypten führen. Der kürzeste Weg in die Türkei führte durch Jugoslawien und Bulgarien nach Istanbul. Jugoslawien war jedoch 1992 keine Option wegen eines Krieges, der sich als lang und blutig erweisen würde. Srebrenica hatte noch nicht einmal stattgefunden! Die Alternative führte über Österreich, Ungarn und Rumänien nach Bulgarien, ein Umweg, der die Reise zwei Tage länger machen würde. Schließlich mussten wir mehr Kilometer auf qualitativ fragwürdigen Straßen zurücklegen, vor allem in Rumänien. In der Türkei angekommen, würden wir versuchen, die Südküste so schnell wie möglich zu erreichen, weil das Wetter dort besser wäre (Reisezeit war Weihnachten/Silvester). Dann würden wir die Grenze von Syrien überqueren und durch Jordanien nach Ägypten fahren…in sha’allah!

Soweit Warners Einleitung, im Bericht finden sich auch einige Bilder aus seiner Hand.

Zur genauen Route gab es nur eine Unwegsamkeit: wie kommt man von Jordanien nach Ägypten? Der Geograph lacht nur kurz und sagt: über Elat (Israel). Doch die politischen Befindlichkeiten jener Zeit lassen das nicht zu. Und selbst wenn: nach diesem Reiseweg wäre die Rückkehr über Syrien ausgeschlossen, denn Syrien akzeptiert keine Einreise, wenn ein israelischer Stempel im Pass existiert. Dann taucht das Gerücht einer Fähre von Jordanien direkt nach Ägypten (Sinai) auf. Doch wer weiß Genaueres?? ANWB und ADAC winken ab: keine gesicherten Erkenntnisse. Reiseforen gibt es nicht, wohl aber Globetrotter, die unterwegs sind oder waren und ihr Wissen „insidermäßig“ austauschen, zum Beispiel über den Laden und Herausgeber Klaus Därr. Die Informationen verdichten sich, dass die Fähre -das Nadelöhr dieser Tour-  existiert und auch fährt.

Tag 1: Na dann: Augen zu und durch – 408 km

Amsterdam, 23.12.1992: das Wetter ist nasskalt bei 5 Grad plus, der gereinigte Vergaser wird montiert, die Zündung eingestellt, drei Taschen und ein Karton mit Geschenken für Sofia (dazu später) werden eingeladen – die erste Etappe führt uns zu meinen Eltern in der Nähe von Frankfurt am Main.

Ein Jahr später bei meinen Eltern im Taunus. Spoiler: der Käfer hats geschafft.

Tag 2 (24.12.1992) – 697 km

Meine Eltern statten uns mit weiteren Essensvorräten aus, und weiter geht’s über Würzburg, Regensburg und Passau nach Österreich. Die letzte Grenze, die wir ohne anzuhalten passieren können. Über Linz geht es nach St. Pölten, aber die dortige Jugendherberge, die wir auserkoren hatten, ist geschlossen. Wie übrigens auch fast alle Hotels dort. Heiligabend– Ruhetag, oder so. Als wir dann endlich ein Hotel in dieser eigentlich touristischen Region finden, ist es das teuerste der ganzen Reise: 80 DM für ein kaltes Zimmer!

In der nächsten Folge: Grenzübergänge – wir tasten uns langsam ran. Es folgt: Level 1.