Weiterhin Tag 5 (27. 12.1992)
Eigentlich ist es eine schöne, baumgesäumte Straße. Im Sommer bestimmt. Aber es ist Winter, die Bäume sind kahl, und die dreckige Straße und die dreckigen Autos – alles verschwimmt in einem grau-braun-grau. In der rechten Spur stehen die LKW, links die PKW, ganz vorne sieht man einen Soldaten patrouillieren, es geht nicht voran.
Aus dem Nichts taucht eine Gruppe breitschultriger Gestalten auf, kommt auf unser Auto zu und sagt, wir müssen Geld wechseln, 100 DM. Wollten wir aber gar nicht, und wenn, dann erst in Bulgarien. Doch, wir müssten das jetzt wechseln. Und ob wir Fotoapparate dabei hätten…Sie machen keinen Hehl aus ihren Absichten und bezeichnen sich selbst als Maffia…und weil wir weiterhin nichts rausrücken wollen, fangen sie an, am Auto rumzufummeln. Irgendwas müssen wir jetzt machen. Der Grenzer in der Ferne „sieht nichts“, die anderen Autofahrer sind irgendwie weg. Wir bleiben stur und sagen wir haben keine D-Mark (schließlich sind wir mit holländischem Kennzeichen unterwegs-unser Glück), rücken letztendlich 10 Gulden raus, erzählen ihm Wunder was der Gulden für einen hohen Wechselkurs hat, geben noch eine Schachtel Zigaretten dazu und bekommen tatsächlich dafür eine ganze Handvoll bulgarischer Münzen plus ein paar Scheine, von denen alle mit einem nennenswerten Wert bereits ungültig sind, wie sich später herausstellt.
Bei der Ausreise muss für jeden Handschlag bezahlt werden, sogar das Benzin im Tank muss versteuert werden (auch wenn kaum was drin ist, wird der volle Tank berechnet). Heute frage ich mich, wie viel davon direkt in den Taschen der Grenzer versackt ist, ich glaube kaum, dass wir für alles eine Quittung bekommen haben. Dann geht es über die „Freundschaftsbrücke“ (eröffnet 1954), ein Meisterwerk von verblichenem Glanz. Auf zwei Etagen fahren Bahn und Autos auf einer Stahlgitterbrücke über die mächtige Donau, dann sind wir endlich in Bulgarien. Dort sind die Grenzformalitäten deutlich entspannter, und schnell spurten wir gen Sofia, wo wir Geschenke bei Verwandtschaft meines Studienkollegen abgeben wollen und gleichzeitig einen Schlafplatz haben werden. Leider wird es schon wieder dunkel, aber die Straßen sind gut.
Kurz vor Sofia beginnt sogar eine Art Autobahn, die allerdings manchmal quer durch die Dörfer geht – inklusive Kreuzungen. Kaum zu glauben: wir finden ohne Probleme unsere Übernachtungsadresse in einem der Neubauviertel in Sofia. Wie entspannend, wenn man sich endlich mal wieder richtig unterhalte kann, die Bude warm ist und es herrliche Betten gibt. Hier liefern wir die -etwas verspäteten- Weihnachtsgeschenke aus Amsterdam ab und telefonieren zum ersten Mal mit zu Hause.
Tag 6 (28. Dezember) (653 km)
Wie herrlich: eine warme Dusche am Morgen. Doch die Straße ruft: los geht’s! Noch 500 Kilometer bis Istanbul, sagt der Wegweiser am Straßenrand. Es gibt wieder eine Autobahn, so gelangen wir flugs nach Plovdiv. Da ist dann zwar die Herrlichkeit vorbei, aber wir kommen trotzdem zügig weiter. Ruck-zuck sind wir aus Bulgarien ausgereist, und auch an türkischer Seite geht es fix. Bis zum letzten Schlagbaum, wo uns eröffnet wurde, dass alles Mögliche an unseren Stempeln nicht in Ordnung war. Wir wollten einwerfen, dass uns seine Kollegen genau hiermit durchgelassen und weitergeschickt hatten, aber wie sagt man das nochmal in fließendem Türkisch? Wie also wieder zurück zum Anfang, und obwohl wenig Betrieb war, ging es sehr langsam voran.

Irgendwann waren wird dann aber doch in der Türkiye Cumhuriyeti. Erster Halt war in Edirne, wo wir Geld getauscht und eingekauft haben. Was für ein Kontrast zu Bulgarien und erst recht zu Rumänien: hier überall Geschäfte, Handel, geschäftiges Treiben und chaotischer Verkehr. Und die Moscheen natürlich.
In der nächsten Folge verlassen wir Europa, werden an die Jahreszeit erinnert und es gibt den ersten Defekt am Auto. In Kombination mit dem Vorgenannten äußerst unglücklich…